Woher? Wohin?

Ich war so ungefähr acht Jahre alt, als die Gitarre mich auserkor. Ja, es war genau so herum; die Gitarre suchte sich mich, nicht umgekehrt. Keine Chance zur Gegenwehr. Seither hat sie mich nicht mehr losgelassen.

Zwei Jahre später bekam ich Klarinettenunterricht, den ich jahrelang durchhielt, aber die Klarinette zeigte mir am Ende die kalte Schulter. Ich war ja auch vergeben.
Und es wurde viel gesungen bei uns zuhause. Immerzu sang irgendwer, und irgendein Anderer fiel dann sofort mit einer zweiten oder dritten Stimme ein. So war es nicht verwunderlich, dass der Kinderchor eine Offenbarung für mich war. Als dann 1974 ein Sängerknabe für eine Eigeninszenierung der Ruhrfestspiele Recklinghausen gesucht wurde, empfahl mich die Chorleiterin - und was soll ich sagen: Ich bekam den Job. Es wurde Macbeth gegeben, in einer Bearbeitung von Heiner Müller. Das Bühnenblut floss in Strömen, und die meisten Darsteller waren mehr oder weniger nackt. Das wollte ich als schamhafter Zehnjähriger keinesfalls und drohte mit Boykott, woraufhin man mir eine Art Fellumhang überstülpte. So war's dann ok. Aber der Bühnengeruch blieb mir in der Nase kleben und die Bretter, die die Welt bedeuten, riefen fortan nach mir.
Später, als pickeliger und recht unansehnlicher Adoleszent, boten mir das Singen und Gitarrespielen, im Zusammenhang mit den Songs der Beatles, Simon & Garfunkel - und vor allem: James Taylor - die Möglichkeit, doch gelegentlich von der einen oder anderen jungen Dame bemerkt zu werden - und darauf kam's ja an.

Als gitarristischer Autodidakt landete ich später in Essen an der Folkwang-Hochschule, und obgleich mich dort als Jazzer so recht niemand ernst nahm, versah man mich nach vier Jahren mit einem Diplom als Jazzgitarrist.
Ach ja, zuvor hatte ich noch zwei Jahre als Straßenmusiker in Italien verbracht. Und als Lederwarenverkäufer. Und als vorgeblicher Student der "Lingue e Letterature Moderne" (für die Aufenthaltserlaubneis...)

1990 ging es nach Köln; dorthin, wo musikalisch mehr los war als im etwas beschaulichen Münster. Recht flott etablierte ich mich in der - damals noch existenten - Studioszene und besang unzählige Produktionen als Studio-Chorsänger. Ich gründete mit Freunden eine Musikproduktionsfirma plus Tonstudio und ließ mich ein paar Jahre -ziemlich ferngesteuert - von der Eigendynamik mitreißen, die sich daraus entwickelte. Aus Jingles für den Lokalfunk wurden nach und nach Kompositions- und Produktionsaufträge für internationale Werbekampagnen und für Unternehmensfilme namhafter Konzerne. Als wir zu alt wurden, um glaubhaft zu simulieren, dass wir Reklame für den Nabel der Welt hielten, positionierten wir uns als Audiobranding-Experten und Markenberater und arbeiteten in dieser Funktion für BMW, Deutsche Telekom, Credit Suisse, Akzo Nobel, DER Touristik - um mal ein paar Namen rauszuhauen. 
Das war inhaltlich wirklich lehrreich und gewährte mir Einblicke, wie in den Führungsetagen großer Unternehmen gearbeitet wird. Ganz gut bezahlt wurde obendrein.
Ich erwarb detaillierte Kenntnisse im Bereich "Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit" und lernte, wie ich selber auf keinen Fall leben und arbeiten wollte.

Und so kam mir sehr gelegen, dass 2011 Udo Jürgens anrief (ok, er hat nicht selbst angefufen), um mich für eine Tournee zu buchen. Plötzlich war ich zurück im Live-Geschäft. Kaum jemand war in der Folgezeit vor mir sicher, Hauptsache live spielen, am besten auf großen Bühnen.
In der Band des wunderbaren Peter Kraus spiele ich bis heute - es seien ihm viele weitere Jahre gute Gesundheit und Schaffensdrang beschert - und selbst Heino, Howard Carpendale und Roland Kaiser waren vor meiner Begleitung nicht sicher. Immer schön der Devise folgend "Es gibt keine schlechte Musik, sondern nur schlecht gemachte", bemühte ich mich, mir selbst und meinem Ethos dabei treu zu bleiben - mit wechselndem Erfolg.

Und nun? Nun mache ich nur noch Musik, die mir gefällt, die mich herausfordert und wachsen lässt. Mit Menschen, die ich mag.
Immer? Naja, fast.
Manchmal macht mir auch jemand ein Angebot, das ich nicht ablehnen kann... ;-)